Verteidigung der Republik - politische Bildung angesichts von Extremismus

Verteidigung der Republik - politische Bildung angesichts von Extremismus

Startdatum
6. November 2018
Petition an
Politische Bildung und Bildungspolitik
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Warum ist diese Petition wichtig?

Gestartet von Kurt Edler - Prof. Dr. Benno Hafeneger - Prof. Dr. Wolfgang Sander - Prof. Dr. Albert Scherr

Ein Aufruf


Eine demokratisch verfasste und freiheitliche Republik ist auf freie, selbstbewusste und politisch mündige Bürgerinnen und Bürger angewiesen. Die politische Bildung fördert diese politische Mündig­keit, indem sie in Schulen, Betrieben, Hochschulen, in der Jugendarbeit und der Erwachsenenbildung  mit ihren Lernangeboten die politische Urteils- und Handlungsfähigkeit von Menschen entwickeln hilft und zu politischem Engagement ermutigt. In diesen Lernangeboten können Menschen sich frei äußern, neues Wissen und Verstehen erwerben und sich auch mit ihnen bislang weniger vertrauten politischen Sichtweisen auseinandersetzen.


Das Spektrum solcher, durch die Meinungsfreiheit gedeckter Sichtweisen ist groß. Es schließt auch solche Positionen ein, die als radikal gelten können, weil sie besonders konsequent einzelne Prinzi­pien oder Überzeugungen ins Zentrum stellen – als radikale Basisdemokratie etwa, als radikaler Marktliberalismus, als radikale Kapitalismuskritik, als bedingungslose universalistische Moral, als dogmatisches religiöses Denken oder als nationaler Patriotismus. Solche radikalen Sichtweisen mögen in ihrer Einseitigkeit kritikwürdig, überzogen sein und verstörend wirken. Sie bewegen sich aber im Bereich legitimer kontroverser Auffassungen, bei denen zwar zu den Aufgaben politischer Bildung gehört, kritische Reflexion anzuregen. Es ist aber nicht Aufgabe der politischen Bildung, deren Zulässigkeit prinzipiell zu bestreiten und Diskursverbote zu etablieren.


Anders verhält es bei politischem Extremismus, der sich gegen Kernprinzipien der konstitutionellen Demokratie wendet. Als extremistisch können solche politischen menschen- und demokratiefeind­lichen Positionen gelten, die die rechtsstaatlich verfasste und menschenrechtsbasierte Demokratie, die freiheitliche Republik selbst und damit auch die Freiheit der Bürgerinnen und Bürger beseitigen wollen.


Wir haben es heute in der westlichen Welt im Wesentlichen mit drei Formen des politischen Extre­mismus zu tun:


Die Vorstellungswelt des Rechtsextremismus ist von der Idee eines ethnisch und kulturell homogenen Volkes geprägt. Dabei wird von der Ungleichwertigkeit der Menschen ausgegangen und anderen Menschen als den Angehörigen des eigenen Volkes rechtliche Gleichheit und gleiche Menschen­würde abgesprochen. Nationalismus, Fremdenfeindlichkeit und Rassismus sind daher zentrale Ele­mente rechtsextremen Denkens. Das Gesellschaftsverständnis des Rechtsextremismus ist antiplura­listisch, antidemokratisch und antiliberal. Verbunden mit einer aggressiven Rhetorik werden der demokratische Verfassungsstaat und die freiheitlich-demokratische Grundordnung abgelehnt und bekämpft. Angestrebt wird ein illiberales, autoritär-diktatorisches Herrschafts- und Staatsmodell. Oft ist damit die Verharmlosung des Nationalsozialismus und die Leugnung oder Relativierung seiner Verbrechen verbunden.


Von Linksextremismus ist dann zu reden, wenn sich Kapitalismuskritik mit einer generellen Ableh­nung des demokratischen Verfassungsstaates und seiner Organe einer grundsätzlichen Infrage­stellung des staatlichen Gewaltmonopols sowie einer Relativierung der individuellen Rechte derjeni­gen verbindet, die als politische Gegner gelten. Freiheit für Andersdenkende, Pluralismus, Rechts­staat und Gewaltenteilung werden in linksextremistischen Ideologien einem Gesellschaftsverständnis untergeordnet, das auf die Durchsetzung einer egalitären und ideologisch formierten gesellschaft­lichen Einheit zielt. Gegenwärtige Spielarten von Linksextremismus knüpfen an verschiedene kommunistische und anarchistische Traditionen an und verharmlosen die dabei entstandenen Diktaturen und terroristischen Bewegungen.


Der Islamismus und seine terroristische Zuspitzung, der Dschihadismus, stellen eine freiheitsfeind­liche Ideologie dar, die sich auf eine religiöse Begründung beruft. Überdies wird mit dem Anspruch, den „wahren Islam“ zu vertreten, ein Monopolanspruch erhoben, der mit der Intoleranz gegenüber anderen Verständnissen des Islams wie gegenüber anderen Religionen einhergeht. Extremistisch ist der Islamismus deshalb, weil er unter Berufung auf eine gottgewollte Ordnung jede von Menschen gemachte politische Ordnung ablehnt und sich daher gegen Demokratie und die Vielfalt von Lebens­formen wendet. Im Dschihadismus wird überdies aus einer angeblichen „Demütigung aller Muslime“ das Recht auf die gewaltsame Bekämpfung der freien Gesellschaften abgeleitet.


In allen drei Extremismen gibt es eine Affinität zu Gewalt oder mindestens zu deren Rechtfertigung. In allen dreien finden sich auch Formen des Antisemitismus. Trotz dieser Gemeinsamkeiten gibt es zweifellos erhebliche Unterschiede. Wenn wir unterschiedliche Extremismen benennen und verglei­chen, dann heißt dies jedoch keineswegs, dass wir sie gleichsetzen sowie die Gegensätze und Geg­nerschaften zwischen ihnen verkennen. Wir verbinden dies auch nicht mit der Annahme, dass sie gegenwärtig als Gefährdungen von Demokratie und Menschenrechten gleichermaßen einflussreich sind.


Politische Bildung ist eine Anwältin von Aufklärung und Humanität sowie der Freiheit aller Bürger­innen und Bürger. Sie muss deshalb dem politischen Extremismus in allen seinen Formen entgegen­treten. Als Bildungsangebot kann sie dies vor allem dadurch tun, dass sie die Denkweisen und Welt­verständnisse extremistischer Ideologien problematisiert, kritisiert und auf die aus ihnen folgenden Konsequenzen für das menschliche Zusammenleben hin analysiert. Umgekehrt hat politische Bildung die Aufgabe, das Verstehen der Grundprinzipien demokratisch-freiheitlicher Ordnungen zu fördern und offensiv für sie einzutreten – Prinzipien wie Menschenwürde und Grundrechte, Rechtsstaat und Gewaltenteilung, Volkssouveränität und Recht auf Opposition, Humanität und Solidarität. Ferner muss politische Bildung eine Kultur des Respekts vor den Institutionen der Republik und vor Anders­denkenden fördern – Polizisten sind keine „Bullen“, gewählte Politiker keine „Volksverräter“, Nicht-Muslime keine „Ungläubigen“. In diesem Zusammenhang gehört es zu den Aufgaben politischer Bildung, auch solchen Formen von Populismus, politischer Propaganda und anderer medialer Kommunikation entgegenzutreten, die mit gezielten Falschmeldungen, Verleumdungen, Hassbot­schaften oder Hetze einzelne Menschen oder soziale Gruppen ausgrenzen oder abwerten wollen.


Zugleich ist politische Bildung eine pädagogische Veranstaltung. Daher darf sie im schulischen Unter­richt oder in Veranstaltungen außerschulischer Bildung Lernende nicht als politische Gegner behan­deln. Alle Teilnehmerinnen und Teilnehmer haben Anspruch auf persönlichen Respekt, selbst wenn sie bislang extremismusaffine Meinungen vertreten. Politische Bildung muss in ihrer eigenen Praxis „die Intoleranz gegenüber jeder Intoleranz mit der Toleranz gegenüber den noch Intoleranten ver­binden“ (Wolfgang Hilligen). Politische Bildung ist ein Ort der Einübung und Pflege des Dialogs und der friedlichen Konfliktaustragung, auch über harte Fronten hinweg. Auch dadurch kann sie einen unverzichtbaren Beitrag zu einer freiheitlichen politischen Kultur leisten, gerade angesichts der Herausforderungen durch politischen Extremismus.


Wir rufen alle in der politischen Bildung tätigen Institutionen und Personen auf, in diesem Sinn selbstbewusst zur Verteidigung der Republik gegen extremistische Versuchungen beizutragen. Die politisch Verantwortlichen rufen wir auf, die politische Bildung in Schulen und außerschulischer Bildung nachhaltig zu stärken.
 
9. November 2018
 
Kurt Edler (Hamburg)
Prof. Dr. Benno Hafeneger (Marburg)
Prof. Dr. Wolfgang Sander (Gießen)
Prof. Dr. Albert Scherr (Freiburg)

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